Samstag, 14. August 2010

ursachenforschung

wenn man schuld auf sich geladen hat, ist man ja leicht geneigt, nach ursachen für das eigene verhalten zu suchen, die wiederum andere zu verschulden haben. und unsere freunde von der psychologen-front landen dabei ja immer wieder bei den eltern. insbesondere bei den müttern.

lange zeit habe ich mich darüber lustig gemacht und gedacht, da mache man es sich zu einfach. vielleicht ist das manchmal so, und doch erkenne ich nun bei mir, dass da doch was dran ist. nicht, dass meine mom die verantwortung für meine schuld und meine verfehlungen trüge, doch viele wesenszüge und charaktereigenschaften sind klar resultat meines schwierigen verhältnisses zu ihr.

in den letzten wochen habe ich sehr oft schlucken müssen. bei ansagen, behauptungen, unterstellungen, lügen, vorwürfen, die sie mir gegenüber laut werden ließ. ich schwieg. eisern. weil sie heute 75 wurde.

wir feierten mit familie und einem befreundeten paar der eltern. eine skurrile geschichte. der mittlere bruder glänzte wie eh und je durch abwesenheit. ließ es sich aber wie eh und jeh nicht nehmen, nicht abzusagen. alos wurde an der geburtstagstafel quasi ein "stellvertretergedeck" als gedächtnisaltar inszeniert. ich hätte kotzen können.

er schafft es selbst in abwesenheit noch, seine marke bei solchen festen zu setzen. und die erzeuger machen das spiel mit. noch trauriger.

ich erkenne mit erschrecken, auf welchem egotrip meine erzeugerin ist. selbst mit 75 jahren ist sie sich nicht zu schade, sich vor versammelter mannschaft, die unseren nachwuchs bewundert, wie ein kleines kind aufzubauen und zu proklamieren "heute bin ich die hauptperson". als wolle das jemand bestreiten.

am ende des skurrilen tages geraten wir dann doch noch aneinander. und sie versteht meine ansage nicht. ist beleidigt. haut abermals wie ein kleines kind ab und lässt mich und die neffen sitzen.

in diesen momenten erschrecke ich und denke, dass ich viel zu viel dieser gene und verhaltensmuster in mir trage. hin und wieder erwische ich mich bei ähnlichen dingen. und vieles von der schuld, die ich auf mich geladen habe, resultiert aus ähnlich unreifem verhalten.

wie die zeit vergeht

seit den tränen vor mehr als ist viel zeit vergangen. leben in bewegung. tabularasa heißt dieses blog. und so könnte man nennen, was in der zwischenzeit passiert ist.
klare verhältnisse sind da. klarer als je zuvor.
es gibt keine zwei wohnungen mehr. es beiden wohnungen ist ein gemeinsames haus geworden. ein haus, in dem wir seit märz sogar als kleinfamilie leben. ein wundervoller kleiner mann begleitet uns. ist fleischgewordener ausdruck unserer wiedergefundenen liebe. unglaublich.
und dennoch folgt mir nahezu tagtäglich das schlechte gewissen. die schuld, die ich auf mich geladen habe, ist immer noch gegenwärtig.
ich lese in blogs und twitter-streams derer, die ich verletzt habe. an denen ich mich schuldig gemacht habe. und sehe, wie sie noch immer leiden. und wie sie mich hassen. still und offen. und ich kann es ihnen noch nicht einmal verübeln.

Sonntag, 27. April 2008

zuversicht

Von Freitag auf Samstag vor lauter Aufregung kaum geschlafen. Mit dicken Augenringen dann auf zur alten Wohnung. Natürlich wieder die neugierigen Nachbarn im Flur getroffen. Klar. Mit flauem Magen und zitternden Händen aufgeschlossen. Der Duft der Wohnung hat sich verändert. Wahnsinn, wie schnell soetwas geht.

Ich habe mir nichts vorgenommen. Keine Gesprächsziele. Keine Argumente vorbereitet. War das naiv, oder war das genau richtig?

Die alte Vertrautheit ist sofort wieder da. Und dennoch ist die Umarmung geprägt von Distanz und Unsicherheit. Sie hat sichtbar abgenommen. Ihr Gesicht ist schmal geworden. Und doch sieht sie gut aus. Viel besser, als ich angesichts der emotionalen Belastungen erwartet hatte.

Aufbruch in Richtung Norden. Im Auto vorsichtiges, gegenseitiges Herantasten. Wir bringen uns gegenseitig auf den Stand der Dinge. Es gibt viel zu erzählen, wenn man sich nicht mehr täglich sieht und spricht. Alles ist selbstverständlich, da schwingt viel Interesse und ehrlich Anteilnahme mit. Etwas, das unsere Beziehung immer ausgemacht hat und wahnsinnig viel wert ist.

Am Ort angekommen, durchbrechen wir dann mitten beim Bummel durch die City die unsichtbare Grenze und kommen zur Sache. Inmitten der trubeligen Einkaufenden geht es ans Eingemachte. Es wird analysiert, hinterfragt, vorgeworfen, abgewehrt, vielfach gemeinsames Verständnis erzielt. Fragen über Fragen. Nicht für alle gibt es Antworten. Es fließen Tränen. Umgeben von geschäftigen Einheimischen und zahlreichen Touristen halten wir uns weinend in den Armen.

Wie aus dem Nichts zieht sie auf einmal einen Brief hervor, hält ihn mir unter die Nase. Es ist ein Brief aus der Klinik, auf den wir seit fast einem halben Jahr warten. Sie unruhig, traurig, eher pessimistisch. Ich wie immer stark verdrängend, zunächst optimistisch, dann jedoch auch immer weniger zuversichtlich. Doch die Botschaft, die die schnöden zehn bis fünfzehn Zeilen senden, ist fantastisch. Es sind Mühlsteine, die da von der Seele gefallen sein müssen. Auf einmal ist da eine unbeschwerte, positive Perspektive, von der wir bzw. Sie zuvor nur zu träumen gewagt hatte. Erneut weinen wir gemeinsam, wenn auch diesmal Tränen der Freude.

Montag, 21. April 2008

widerhall der leere

Aus dem bis auf Bett und Kleiderschrank leeren Schlafzimmer hallt leise Musik wieder. Schmeichelnde Frauenstimmen einer CD, die ich einst mit viel Liebe zusammengestellt habe. In großen, zähen und dicken Tropfen fällt die Sehnsucht in meine dunkle Seele. Alles erinnert mich an dich.

In jedem Ding, das ich in Händen halte, an jeder Straße, die passiere, jede Sendung, die ich sehe, in jeder Stimme, die ich höre, suche ich dich. Finde ich dich. Bilde ich mir das ein, oder ist deine Omnipräsenz wirklich so allmächtig?

Meine letzte Mail, meine SMS hast du nicht beantwortet. Eigentlich darf mich das nach allem, was passiert ist nicht wundern. Und dennoch macht es mich traurig. Lässt mich verzweifeln.

Am schlimmsten sind die - nett und lieb gemeinten - Fragen der Kollegen, wie es mir gehe. Ehrlich gesagt, ich habe darauf keine Antwort. Die erhoffte Erleichterung, die ersehnte Befreiung ist bisher ausgeblieben. Stattdessen wachsen die Zweifel, ob die Entscheidung richtig war.

Die geplante Reise habe ich bisher noch nicht storniert. Obwohl es nur noch wenige Tage bis dahin sind und es viel Geld zu verlieren gilt. Aber ich bringe es nicht fertig. Tief in mir schlummert offensichtlich die Hoffnung - oder ist es eher der Wahnsinn -, dass wir diese doch noch Reise gemeinsam antreten. Den Neuanfang wagen.

Doch wäre das richtig? Obwohl die Gedankenkreisel sich schneller und schneller drehen, ist kein klares Bild erkennbar. Lassen sich verschüttete Gefühle wieder freilegen?

Zum ersten Mal in meinem Leben spüre ich, was Leere wirklich bedeutet. Innerlich wie äußerlich. Obwohl selbst gewählt, fällt es mir wahnsinnig schwer, sie auszuhalten. Es ist, als hätte ich mich selbst zur Ader gelassen und schaute dem steten zähen roten Strom zu, wie er in den weißen Sand unter mir versickert.

"tabularasa" habe ich dieses Blog genannt. In der Hoffnung einen kräftigen Reisigbesen zu schwingen, der allen Schmutz von der Seele in die Gosse fegt. Doch stattdessen fühlt es sich an, als arbeitete ich mit archäologischer Geduld und Muße daran, mit einem kleinen, feinen Pinsel jede noch so schwache Kontur freizulegen, ohne dabei jedoch einen Blick für die Ausmaße des Grabungsfeldes zu haben. Wieviele Schichten hatte Troja noch gleich?

K.D. Lang singt mir ein zärtliches "Halleluja" herüber. Jahrelang habe ich das in der Kirche voller Inbrunst und ohne den Hauch eines Zweifels geschmettert. Um im Anschluss an die Gottesdienste weiter an meinen Lügengebäuden und meinen Wunschwelten zu basteln. So lange, bis diese übermächtig wurden, über mir zusammenbrachen und mich unter sich begruben.

Lässt sich der Schutt von 34 Jahren überhaupt noch beseitigen? Kann ich meine eigene Trümmerfrau sein? Immerhin - ein Anfang ist gemacht. Aber noch sind es zähe Staubwolken, die den Blick immer wieder vernebeln. Sind es große Brocken, die das Fortkommen erschweren. Immer wieder kommt Bewegung in die Trümmer, rutschen sie nach, verschütten gerade mühsam freigelegtes.

Nomen est omen - "Love is a losing game" höre ich Amy Winehouse von nebenan. Ist das wirklich so? Oder sollte es nicht lieber "Lying is a losing game" heißen.

Sonntag, 20. April 2008

sehnsucht

mit jedem tag wird die sehnsucht größer. es gelingt mir nicht, die leere der neuen wohnung zu füllen. da ist soviel gute, was auf einmal wie ein blockbuster vor meinem inneren auge abzulaufen beginnt. ich habe permanent ihr gesicht vor augen. ihre traurigkeit, die fragenden blicke. ich spüre die weiche haut ihrer wangen, von denen ich ihre tränen wische.

das wochenende ist am schlimmsten. ich versuche, mich mit arbeit und sport abzulenken, mich mit aktivitäten zu betäuben. nachts liege ich lange im leeren bett und vermisse ihre nähe. ihr atem fehlt.

noch entwickle ich keine perspektive, wie es alleine weitergeht. die zweifel an der richtigkeit der entscheidung werden größer. immer wieder frage ich mich, ob ich die dinge nicht überstürzt habe. aber kann man nach einem jahr ringen noch von überstürzung sprechen? andererseits habe ich oft nur mit mir selbst gerungen. habe ihr gar keine chance gegeben, auf mein innerstes zu reagieren.

die räumliche distanz ist - auch wenn sie mir nicht wirklich gut tut - sicher richtig. doch wie finde ich selbst heraus, was ich will. beruflich bin ich mehr als erfolgreich. ich habe freunde, auf die ich mich verlassen kann. in jeder lage. aber die liebe? wo ist sie hin. ist sie tief in mir drin noch vorhanden, oder ist es lediglich diese sehnsucht nach vertrautheit, die alles überlagert?

fragen über fragen. und doch keine antworten in sicht.

Donnerstag, 17. April 2008

reden, reden, reden

und wieder einen ganzen abend geredet. mich erklärt. versucht zu begründen, was nicht zu ergründen ist. wie erklärt man gefühle? und erst recht, wie erklärt man gefühle, die nicht mehr da sind.

es war der dritte vermeintlich heiße stuhl binnen weniger tage. erst die trennung, die schwerer und trauriger nicht hätte wiegen können. wie bringt man über die lippen, dass man jemanden nicht mehr liebt, mit dem man mehr als ein drittel seines lebens glücklich war. mit dem man auch jetzt nicht unglücklich ist. mit dem man weitgehend harmonisch durchs leben geht, schöne urlaube verlebt, für den man gelobt hat, verantwortung zu übernehmen - immer da zu sein?

auf dem wohnzimmertisch brennt die brautkerze, die uns durch dunkle stunden begleiten sollte. tränenschwer die augen, zitternd die stimme. eine letzte nacht, arm in arm. ständig die leise hoffnung nebenan spürend. am morgen dennoch weiter klare positionen. abschied an der wohnungstür mit schwerem herzen und gesenkten lidern.

am tag darauf ein zufälliges zusammentreffen bei dem der satz "du hast ein leben ruiniert" fällt und wie ein dolch mitten ins eh schon schwere herz trifft. daraufhin flucht. flucht ins leer.

wenige tage später weitere gespräche. analysen, teils messerscharf, teils meilenweit an der realität vorbei. und doch hinterlassen sie erneut zweifel, leere. gedankenschwere. auf dem rückweg betäubung mit arbeit. verdrängung ist, was uns über wasser hält.

dann sachen sammeln. packen. so muss es auf der flucht zugehen. gehetzt. immer in der angst vor der ungewollten begegnung. aufbruch ins neue, leere und kalte heim. erste nacht auf der provisorischen matratze auf dem boden. aber durchgeschlafen. zum ersten mal seit wochen. wenigstens nachts scheint die seele wieder ruhen zu können.

sturz in arbeit. betäuben, betäuben, verdrängen, verdrängen. das ewig gleiche mantra.

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